Die Entstehung des Hadrianswalls - Fortsetzung
Vermutet wird, dass der römische Hadrianswall nicht nach den ursprünglichen Plänen der römischen Erbauer errichtet wurde. Um den Arbeitsaufwand zu reduzieren, bauten sie die anfangs noch auf etwa drei Meter Breite angelegte Mauer schmaler, auf 1,8 bis 2,4 Meter. Stellenweise wurde auch der Verlauf des römischen Walls abgeändert zur besseren Anpassung an das umliegende Gelände. Epidemien, Kriegshandlungen oder der Abzug ganzer Garnisonen zwangen die Römer bei ihren umfangreichen Bauvorhaben des Öfteren zu Kompromissen. Auch die Logistik des Transports von Baumaterial stellte die Römer sicherlich vor Probleme. Unklar ist bis heute auch, ob der Wall tatsächlich in voller Länge fertiggestellt wurde. Wenn er also auch vielleicht ein Provisorium blieb, zeigt der Torf-Erde-Wall im Westsektor, dass es für die Erbauer des Hadrianswalls wichtig war, möglichst rasch dieses gigantische Sperrwerk fertigzustellen.
Der Hadrianswall
Noch bevor der römische Grenzwall fertig war, wurden die Kastellbesatzungen des Stanegates um 126 n. Chr. direkt an den Wall verlegt. Entlang des Walls entstanden bis zu 14 größere Auxiliarlager in regelmäßigen Abständen. Die römische Besatzung des Hadrianswalles konnte vom Wall aus über eine gut ausgebaute Straße rasch an jeden beliebigen Einsatzort in der Wallzone gelangen. Doppelkastelle sorgten für gesicherten Schutz und Verstärkung entlang der gesamten Grenze. Bei Stagshaw kreuzte die Deere Street den Wall. Das „Portgate“, ein befestigtes Durchgangstor diente als Kontrollpunkt.
Kommunikation zwischen den Grenzposten
Zur Kommunikation zwischen den einzelnen Stützpunkten nutzten die Römer ein altbewährtes Signalsystem. Am Tag gaben die Posten mit Spiegeln oder polierten Metallplatten Blinkzeichen von Turm zu Turm. Bei Bewölkung oder Nebel gaben die römischen Grenzposten Signale mit Tubas oder Hörnern. In der Nacht funktionierte die Kommunikation auch mit Fackeln. Meldereiter und Läufer waren ebenfalls eine Variante, um auf der gut ausgebauten Wallstraße binnen relativ kurzer Zeit von Küste zu Küste Nachrichten zu übermitteln. Ein guter Läufer brauchte von Turm zu Turm nur etwa zwei Minuten. Die Hauptaufgabe der römischen Wallbesatzung war es, bei Alarm möglichst rasch Alarm zu schlagen, damit die römischen Grenztruppen bei feindlichen Überfällen mittels eines typisch römischen Zangenmanövers die Eindringlinge noch in der vorderen Grenzzone abfangen konnten. Dieses ausgeklügelte Warnsystem war auch an den anderen Limites des Römischen Reiches üblich.
Kastelle und Tore des Hadrianswalls
Auf ganzer Länge hatte der Hadrianswall insgesamt 80 durch Kleinkastelle gesicherte Tore im Abstand von genau einer römischen Meile (1470 bis 1490 Meter). Einige Kastelle entstanden auch vor dem Wall mit nach Norden zu öffnenden Toren. Dies erscheint erst einmal widersprüchlich, da die Walltruppen die kriegerischen Stämme aus dem Norden fernhalten sollten. Die Kastelle wirkten jedoch auf Angreifer abschreckend. Denn durch sie war es möglich, dass die Kavallerie etwa rasch ausfallen konnte und für den Fall, dass sie drohte abgeschnitten zu werden, konnten die Römer auch sehr schnell wieder den Rückzug hinter die sicheren Mauern angetreten. Eine damals bevorzugte Strategie der römischen Armee erklärt auch die zahlreichen Tore im Hadrianswall: Römische Soldaten der mittleren Kaiserzeit kämpften nicht aus dem Schutz fester Mauern. Die römischen Truppen waren für die Vorwärtsverteidigung und für Feldschlachten in enger Formation ausgebildet. Diese offensive Vorgehensweise wurde jedoch durch den Wall behindert. Mit Hilfe der vielen Durchgänge konnten die Garnisonen dennoch auf heranrückende Angreifer reagieren.
Verteidigung des Hadrianswalls
Durch die vielen Tore wurde der von Küste zu Küste geschlossene Wall trotzdem für die römischen Truppen durchlässig gehalten – allerdings nur nach Norden hin. Das Ansinnen der Römer war es, herankommende Feinde möglichst früh zu entdecken, weit vor dem Wall abzufangen und im Vorfeld unschädlich zu machen, noch ehe sie die Grenzzone erreichten.
Wachen am Wall
Entlang der Mauer des römischen Hadrianwalls waren im Abstand von je einer römischen Meile zusätzlich Kleinkastelle (Meilenkastelle) an der Südseite des Walls und innerhalb je einer Drittelmeile noch zwei Wachtürme. Der Abstand zwischen den Wachen differierte. Die Meilenkastelle und Wachtürme waren durchnummeriert, beginnend im Osten. Dies war eine übliche Vorgangsweise der Römer für die Organisation des Limes. Entlang der Nordseite wurde hinter einer sechs Meter breiten Berme ein acht Meter breiter und drei Meter tiefer, V-förmiger Graben angelegt, um Angreifer abzuhalten. Wo der Wall an extrem abschüssigem Terrain, beispielsweise an der vulkanischen Auffaltung des Great Whin Sill (Nationalpark Northumberland) vorbeilief, waren solche Aushebungen nicht nötig. Dort schützte die Natur den römischen Wall. Zusätzlich legten die Römer an der Böschung vom Aushub des Grabens drei Grubenreihen als weiteres Hindernis an. Mit spitz zugerichteten Ästen gespickt, sollten sich Angreifer gut überlegen, hier weiter vorzudringen.
Verteidigung des Hadrianswalls
Südlich des römischen Hadrianswalls verlief eine gut ausgebaute Militärstraße, daneben ein flach ausgehobener Graben. Mit dem Aushub legten die Römer beiderseits des Grabens einen Damm an. Die direkte Zufahrt zur Mauer war so von Süden her lediglich nur über 16 streng bewachte Dammwege möglich, die bei den größeren Kastellen angelegt waren. Vermutlich war dieser Graben Markierung für eine gesicherte Sperrzone, in der die Römer auf der Ost-und Westachse schnelle Truppenbewegungen starten konnten. Sicherlich diente der Graben aber auch zur Verteidigung gegen plötzlich auftauchende Feinde aus dem Süden.
Elemente des Verteidigungssystems Hadrianswall
Das Verteidigungssystem des römischen Hadrianswalls bestand von Norden nach Süden aus folgenden Elementen: Im Norden war das Glacis mit dem Graben und getarnten Fallgruben, gespickt mit spitzen Holzpfählen und eisernen Fußangeln (Lilien). Der Wall selbst natürlich, eine Militärstraße und der südliche Graben, Vallum, zwischen zwei Erddämmen.
Eine befestigte Verteidigungslinie
Im Vergleich zum römischen obergermanisch-raetischen Limes war der Hadrianswall eine sehr viel stärker befestigte Verteidigungslinie. Schon vorhandene Kastelle wurden in den Wall integriert. Darüber waren die ansässigen Viehzüchter caledonischer Stämme sicherlich nicht erbaut. Schließlich teilte der Hadrianswall ihr Gebiete und schnitt sie von fruchtbaren Weidegründen im Süden ab. Widerstand der Bauern gegen die Römer ist wahrscheinlich. Sicherlich erschien es den römischen Befehlshabern zudem unsinnig mit beträchtlichem Truppenaufwand die gesamte Baustelle sichern zu müssen. Diese beiden Faktoren trugen sicherlich dazu bei, in der Anfangsbauzeit statt einer Massiv- nur eine Light-Version des Walls errichtet wurde.
Der Wall in der Spätantike
Am Ende der Usurpation des Carausius war der römische Hadrianswall baufällig, teilweise auch durch Kampfhandlungen zerstört. Dass die Zerstörungen durch angreifende Stämme verursacht wurden, ist wahrscheinlich, jedoch nicht belegt. Eine Inschrift aus Birdoswald erwähnt, dass in den Jahren 297 bis 305 verschiedene Gebäude verfallen und teilweise eingestürzt waren, aber wieder aufgebaut wurden. Dieser Wiederaufbau dürfte auch das Prätorium und die Therme des Kastells eingeschlossen haben. Die Inschrift aus Birdoswald spricht ebenfalls von einem natürlichen Verfall, so dass die Reparaturarbeiten, auch an anderen Wallkastellen, vielleicht auch routinemäßig erfolgten.
Reparatur am Hadrianswall
Einige Baracken für Soldaten wurden komplett neu gebaut, die klassischen, streifenförmigen Räume durch einzelne Kammern ersetzt. Umbauten an Meilenkastellen, an Toranlagen oder auch die Errichtung eines komplett neuen Tores sind weitere Zeugnisse für Erneuerungen, die damals an dem römischen Wall vorgenommen wurden. Diese zeigen, dass die Infrastruktur des Walls weiter instand gehalten wurde und staatliche Unterstützung erhielt. Dass manche Kastelle, wie etwa Haltonchesters, keine Sanierung erhielten, bedeutet entweder, dass keine Reparatur nötig war oder aber auch, dass das Kastell eine Zeit lang unbesetzt war. Der Hadrianswall kam in die Jahre. Immer wieder verfiel der römische Hadrianswall, um dann wieder aufwendig renoviert zu werden.
Der Hadrianswall kommt in die Jahre
Im 4. Jhd. wurde die Lage Britanniens immer bedrohlicher. Auch seine Insellage konnte es auf Dauer nicht vor den Umbrüchen der Völkerwanderung schützen. Die Lebensbedingungen für die germanischen Stämme der Jüten, Angeln und Sachsen an den Küsten der Nordsee wurden immer schlechter. Im Osten und Süden konnten die Küstenbewohner keine neuen Siedlungsplätze finden, da sie dort von der römischen Rheingrenze und anderen Wandervölkern blockiert wurden. Sie mussten auf das Meer ausweichen und ihren Lebensunterhalt als Plünderer und Piraten bestreiten. In den Jahren 306, 346, 360 und 367 n. Chr. wird von zahlreichen Militäroperationen berichtet. Rom musste 360 eine Armee unter den Befehl des Comes Theodosius in Marsch setzen, um das dortige – durch Barbareneinfälle ausgebrochene – Chaos zu beenden und die britischen Provinzen wieder unter römische Herrschaft zu bringen. Auch die Hadrianswall-Zone wurde dabei vermutlich verwüstet. Scheinbar aber wollten die Angreifer keine Zeit mit der Niederbrennung der Kastelle verlieren, denn größere Schäden sind nicht belegt – und wandten sich nach Überschreitung des römischen Walls dem reichen Südosten zu. Reparaturen am Wall sind erst wieder durch spätere Inschriften bekannt. Manche erwähnen die Beteiligung südlicher Stämme wie beispielsweise die Durotriges. Wahrscheinlich mussten alle arbeitsfähigen Provinzbewohner von Theodosius nachdem Ruhe und Ordnung wieder hergestellt waren, helfen, die Schäden zu beheben. Nun wurden auch an der Ostküste Cumbrias auf einer Länge von 42 Kilometern Wachtürme und Kastelle errichtet, um diese Flanken der Wallzone abzusichern. Die Vorpostenkastelle nördlich des römischen Hadrianswalls wurden jedoch nicht mehr besetzt und endgültig aufgegeben.